Einflussnahmen auf Journalist:innen

Lea Stahel vom Soziologischen Institut der UZH hat untersucht, wie oft und in welcher Form Journalist:innen während der Pandemie Druckversuche erfahren haben. Die Studie erscheint im Jahrbuch Qualität der Medien 2022 des fög.
Während COVID-19 wurden Journalist:innen im deutschsprachigen Raum der «Lügenpresse» bezichtigt, auf den sozialen Medien bedroht und bei Demonstrationen gegen COVID-19-Massnahmen angegriffen. Neu sind solche externen Einflussnahmen, die von Personen oder Institutionen ausserhalb von Medienorganisationen stammen, jedoch nicht. Seit Jahren mehren sich Hinweise, wonach Journalist:innen verbale und körperliche Angriffe, Vandalismus oder Bestechung nicht mehr nur in autokratischen Regimes erleben – sondern auch in westlichen Demokratien. Solche Druckversuche schränken die journalistische Autonomie ein. Damit gefährden sie die Pressefreiheit und das Funktionieren von Demokratien. Jedoch ist noch wenig über externe Einflussnahmen in westlichen Demokratien bekannt – insbesondere während Krisen wie COVID-19.
Die vorliegende Studie von Lea Stahel vom Soziologischen Institut der Universität Zürich untersucht daher, wie oft und in welcher Form Journalist:innen im Jahr 2020–2021 in der Schweiz externe Einflussnahmen erfahren haben. Dazu wurde eine Befragung von 567 Journalist:innen in der deutsch-, französisch-, und italienischsprachigen Schweiz durchgeführt. Die Resultate zeigen ein deutliches Ausmass: Fast neun von zehn Befragten (86,9%) haben externe Einflussnahmen erlebt.
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- Darstellung 1: Häufigkeit von Erfahrungen externer Einflussnahme
- Die Darstellung zeigt den prozentualen Anteil von Journalist:innen (%), die den jeweiligen Subtypus der 16 Einflussnahmen in den letzten 24 Monaten mindestens einmal erlebt haben. Mehrfachnennungen waren erlaubt (n = 567). Lesebeispiel: 58,4% aller 567 Journalist:innen berichten, in den letzten 24 Monaten Verschwörungsvorwürfe erfahren zu haben.
Am häufigsten sind diese informationeller Art wie die Verbreitung diffamierender Informationen über Journalist:innen oder der angedrohte Entzug des Zugangs zu Informationen (75,1% erlebten dies). Es folgen ökonomische (50,8%) und institutionelle Einflussnahmen (42,1%) sowie angedrohte oder tatsächliche physische und sexuelle Gewalt oder Belästigung (28,9%). Meist werden Einflussnahmen über digitale Kommunikationskanäle erlebt. Ein erhöhtes Risiko von Einflussnahmen haben Journalist:innen, die über bestimmte Themen wie Kriminalität und Justiz (94,1%), Unterhaltung (93,5%), Wirtschaft (93,2%) oder verschiedene Aspekte zu COVID-19 (92,0– 95,9%) berichteten. Auch der Kanton spielt eine Rolle: Mehr als neun von zehn Befragten, die regelmässig über den Kanton Schwyz berichtet haben, haben Einflussnahmen erlebt (95,8%). Schaffhausen weist mit 76,0% den tiefsten Anteil aus. Journalist:innen verorten druckausübende Akteur:innen schliesslich am häufigsten im Publikum (56,4%) und in der Wirtschaft (48,4%). Diese Resultate geben somit erste Einblicke in Einflussnahmen auf den Journalismus während COVID-19 in der Schweiz.
Die Studie wurde von Lea Stahel, Soziologin an der Universität Zürich, verfasst und erscheint im Jahrbuch Qualität der Medien 2022.
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